Marketing für den Maschinenbau

Leitfaden für Industriegütermarketing im Mittelstand

Online-PR, Corporate Blogs oder Social Media – digitale Kommunikationsformen sind demgemäß fester Bestandteil im modernen Marketing-Mix. Und zwar unabhängig davon, ob das jeweilige Unternehmen im B2B- oder B2C-Sektor tätig ist. Zugegeben, es lassen sich nicht sämtliche Formate, Kanäle und Inhalte ohne Feinjustierung übertragen. Zudem gibt es gewiss Themen, die aus der Sicht eines PR-Schaffenden wie mich dankbarer sind. Aber Disziplinen wie Storytelling, Campaigning oder Inbound-Marketing machen nicht vor einem bestimmten Sachgebiet halt. Warum ich die Besonderheiten im Industriegütermarketing nicht als Ausrede für fehlende Kommunikationsziele und halbherziges Content-Marketing gelten lasse. Zeige ich im hiesigen Beitrag. Unterstützt werde ich dabei von einer Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens.

Einführung ins Marketing für den Maschinenbau

Zahlreiche Unternehmen aus dem Maschinenbau sahen in der Vergangenheit nicht die Notwendigkeit, sich mit digitaler Kommunikation tiefgreifend zu beschäftigen. Doch mittlerweile ist allen klar, dass der digitale Wandel allgegenwärtig ist und bleibt. Schließlich betrifft die Digitalisierung sämtliche Branchen und Generationen. Kurzum: Wer als Unternehmer nicht digital kommuniziert und online unsichtbar ist, verliert den Wettbewerb und an Relevanz. Verschwindet anders ausgedrückt aus der Wahrnehmung seiner Zielgruppe. Also bei den unternehmerisch unerlässlichen Interessenten, Multiplikatoren und Kunden des eigenen Angebots.

Digitale Kommunikation im Industriegütermarketing (CreateSpace Independent Publishing)

Erfolgreiche Unternehmenskommunikation in Zeiten des digitalen Wandels hängt von mehreren Faktoren und Fragestellungen ab:

  • Wie ist das Unternehmen in Sachen digitaler Kommunikation bisher aufgestellt?
  • Wo sind die Zielgruppen aktiv und ist deren spezifisches Nutzerverhalten bekannt?
  • Welche Ziele sollen mit dem Industriegütermarketing verfolgt werden?
  • Wer definiert die inhaltlichen Schwerpunkte und gibt es ein Alleinstellungsmerkmal?
  • Was hilft bei der Implementierung und Kontrolle der ausgewählten Strategie?
Das Taschenbuch „Marketing für den Maschinenbau: Ein praktischer Leitfaden für mittelständische Unternehmen“ (CreateSpace Independent Publishing; 1. Auflage 2016; 206 Seiten; 34,90 EUR) gibt erste Antworten. Die Autorin Viktoria Schütz gibt darin folglich Tipps und Beispiele aus der Praxis. Dieses Werk enthält einerseits Grundlagen für Entscheider aus dem Industriegütermarketing. Es richtet sich zugleich an Marketer, die sich neu im Maschinenbau-Umfeld bewegen.

Individuelle Strategien im Industriegütermarketing

Aufgabe der Marketing-Verantwortlichen ist es, die Bausteine einer Strategie in einem ausgewogenen Marketing-Mix zu orchestrieren. Leider gibt es hierfür keine allgemeingültige Formel. Allerdings ein von der Branche unabhängiges Grundverständnis. Die Inhalte einer Marketing-Konzeption samt ihrer beeinflussenden Faktoren, habe ich an anderer Stelle in einer Infografik dargestellt.

Infografik: Der Weg zur optimalen Online-Marketing-Konzeption (Stefan Schütz / PR Stunt)

Im Leitfaden gibt es daneben zwei Arten von Zielen im Industriegütermarketing. Als da wären ökonomische und psychologische Marketingziele. So habe ich es auch in meinem Studium gelernt. Unter dem Strich, wiederstrebt mir indes diese klassische Einteilung. Meines Erachtens leiten sich die Ziele im Content-Marketing aus den Unternehmenszielen ab. Soweit richtig. Darüber hinaus lassen sich die digitalen Aktivitäten jedoch weiter herunterbrechen und konkretisieren.

Besser formuliert, ist eine smarte Ausrichtung zu empfehlen. Das heißt, die Ziele sollten

S – spezifisch [englisch specific],

M – messbar [englisch measurable],

A – ansprechend/attraktiv [englisch attractive],

R – realistisch [englisch reasonabe] und

T – terminiert sein [englisch time-bound].

Die Autorin

Viktoria Schütz hat sich auf den Bereich Marketing von Maschinenbau-Unternehmen spezialisiert. Nach ihrem Master-Studium mit Schwerpunkt Marketing-Management. Machte sie Station im Marketing und Business Development verschiedener Unternehmen aus dem Metall- und Maschinenbau sowie der Konsumgüterindustrie. Heute ist sie Geschäftsführerin und Marketing-Verantwortliche der Deguma-Schütz GmbH. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen hat sie im vorliegenden Buch zusammengefasst. Und Teile davon im Interview preisgegeben.

Ein Beispiel nach dem Lean-Prinzip: „Wir wollen über unsere Unternehmenswebsite in den nächsten sechs Monaten 2.200 Registrierungen auslösen.“ Das Unternehmensziel lautet demnach Umsatzsteigerung. Für das Marketing-Ziel bedeutet das neue Leads zu generieren. Im Online-Marketing gehen nun die Alarmglocken hinsichtlich der Website an. Schließlich lautet die Vorgabe „bestimmte Anzahl neuer Leads über Website“. Zum Schluss stehen Content-Formate oder Marketing-Maßnahmen. Mit dem Ziel, diese in die für die Peergroup relevanten Medien zu integrieren.

Am Ende eines jeden Kapitels zeigt die Autorin mit Checklisten und Aufgaben wiederum den direkten Weg zur Umsetzung auf. Ich habe mir die Mühe gemacht, wichtige Punkte zum Industriegütermarketing exemplarisch für mittelständische Unternehmen zusammenzufassen. Unter Berücksichtigung besonderer Aspekte für den Maschinenbau.

Leitfaden für digitales Industriegütermarketing im Mittelstand (Stefan Schütz / PR Stunt)

Außerdem bedenken wir bitte die verschiedenen Kriterien zur individuelle Einteilung und Ansprache der Zielgruppen. Dessen ungeachtet, gilt es den Status quo zu bestimmen. Mittels der Vor- und Nachteile beziehungsweise Stärken und Schwächen des Unternehmens. Dabei helfen ein Benchmark und ein Content-Audit.

Der Buchautorin und dem Ingeniör ist nichts zu schwör

PR Stunt: Direkt vorneweg. Wir tragen beide den identischen Nachnamen, sind allerdings weder verwandt noch verschwägert. Darf ich dennoch „Du“ sagen?

Viktoria: Ja, gerne.

PR Stunt: Wunderbar! War diese Frage für eine Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens im Maschinenbau zu salopp oder mutig?

Viktoria: Es ist bei uns nicht der normale Ton, sich zu duzen. In der Kommunikation nach außen wird gesiezt, auch wenn sich intern oft geduzt wird. Der Umgangston ist nicht zu vergleichen mit dem in Agenturen oder jungen Firmen aus der digitalen Branche.

PR Stunt: Auf welchen Kanälen bist du und sind deine Kunden aktiv tätig? Gibt es hierbei Unterschiede hinsichtlich der Kommunikation nach außen?

Viktoria: Wenn bereits Kontakt besteht, ist die hauptsächliche und wichtigste Kommunikation persönlich. Z.B. über Telefonate, E-Mails und persönliche Treffen, etwa auf Messen. Akquise erfolgt ebenfalls über Messen oder immer mehr über Suchmaschinen und die Internetpräsenz. Social Media-Kanäle sind nicht sehr relevant und werden eher für Employer Branding genutzt.

PR Stunt: Lassen wir etwaige Klischees aus meiner Einstiegsfrage mal beiseite. Wie sprecht ihr eure Kunden beim Erstkontakt an und ist das Vorgehen „typisch“?

Viktoria: Wir siezen unsere Kunden und achten auf eine respektvolle Distanz. Wortspiele oder Humor nutzen wir schon, aber emotional oder persönlich wird es eher nicht. Obwohl es das Ziel ist, die Maschinen in gewisser Weise zu emotionalisieren, um Vertrauen aufzubauen.

Tipp: Für ein neu entwickeltes Produkt wird im nächsten Schritt eine professionelle technische Dokumentation benötigt? Im zuvor verlinkten Artikel wird die nun zu empfehlende Vorgehensweise im Detail beschrieben.

Emotionen und Vertrauen innerhalb der B2B-Kommunikation

PR Stunt: Klingt nach Industrieromantik. Was meinst du mit Vertrauen? Wen musst du wie oder womit überzeugen, was ist deine Aufgabe?

Viktoria: Gerade in einer Branche wie im Maschinenbau gibt es oft die Meinung, dass Entscheidungen rein rational getroffen werden. Aber am Ende geht es immer um Emotionen. Die Käufer der Maschinen und die Adressaten der Marketing-Aktivitäten sind in erster Linie nicht die Unternehmen, sondern Menschen. Menschen mit Bedürfnissen, Wünschen und Erwartungen. Das fängt damit an, wie sich der Kunde im Kontakt mit den eigenen Mitarbeitern fühlt. Fühlt er sich verstanden und ernstgenommen? Und endet damit, was der Einkäufer nach dem Vertragsabschluss empfindet. Ging alles fair zu oder fühlt er sich übervorteilt?

Bei Vertrauen geht es darum, dass das eigene Unternehmen als vertrauenswürdig angesehen wird. Vertraust du einem Unternehmen, wird dein Angebot entweder nicht so sehr auf den Prüfstand gestellt oder hält der Prüfung locker stand. Auch weil das Risiko für den Einkäufer geringer wird und er weniger Aufwand betreiben muss, um Informationen einzuholen. Dafür ist ja Markenbildung da. Ich höre oder lese einen Namen und weiß, diesem Namen kann ich vertrauen, da wird mir Qualität geliefert.

PR Stunt: Gibt es Besonderheiten innerhalb der B2B-Kommunikation, die du beachten musst? Wenn ja, welche sind das?

Viktoria: Ich muss hier klar zwischen B2B-Marketing und Marketing für Industriegüter unterscheiden. Zu B2B-Marketing gibt es viele Veröffentlichungen. Aber da geht es meistens um Dienstleistungen oder Verbrauchsgüter. Bei Investitionsgütern müssen wir noch langfristiger denken und die Kundenbeziehung nachhaltiger aufbauen. Die Kommunikation bedarf eines längeren Atems, weil sich die Bemühungen oft erst nach Jahren auszahlen.

Die Definition

Ein wesentliches Merkmal von Industriegütermarketing ist der komplexe Beschaffungsprozess. Industriegüter wie Maschinen werden von Organisationen nachgefragt. Somit obliegt die finale Entscheidung nicht einzelnen, sondern mehreren Personen. Allgemein gültiges, klassisches Marketing und entsprechende Analysemethoden decken daher spezielle Vermarktungsformen nicht vollständig ab. Nichtsdestotrotz spielt die Digitalisierung zunehmend im B2B-Marketing eine bedeutende Rolle.

Besonderheiten im Marketing für den Maschinenbau

PR Stunt: Und was macht das Marketing speziell für den Maschinenbau aus?

Viktoria: Wie erwähnt, geht es um langfristige Beziehungen. Es werden hauptsächlich Marketing-Maßnahmen umgesetzt, die häufig keine direkte Reaktion beim Kunden hervorrufen. Dessen ungeachtet gilt umso mehr: Geduld haben und dranbleiben. Nicht gleich eine Idee fallen lassen, weil sie vermeintlich nicht funktioniert.

Eher selten wirkt sich zudem die Werbung unmittelbar auf den Verkauf aus, wie das bei Konsumgütern zu beobachten ist. Ich muss stattdessen tieferes Vertrauen aufbauen und viel Zeit in die persönliche Kundenbeziehung investieren. Es bedarf eines längeren Kundenkontakts als bei Konsum- oder Verbrauchsgütern. Zumal die Produktlebenszyklen viel länger sind und ich dem Kunden dadurch nicht ständig etwas Neues anbieten kann respektive muss.

Andererseits ist es unsere Pflicht als Maschinenbauer technisch stets auf dem neusten Stand zu sein. Und natürlich informiert zu sein über neue Normen, Regelungen oder Standards. So lassen sich beispielsweise Anbauten zeitnah umsetzen und die vorhandenen Maschinen modifizieren.

Mir ist es wichtig zu betonen, dass es gar nicht nur um Unterschiede oder Besonderheiten geht. Vielmehr lassen sich traditionelle Marketing-Instrumente auf den Maschinenbau anwenden. Leider scheuen noch zu viele mittelständische Maschinenbauer moderne, digitale Marketing-Maßnahmen zu ergreifen. Geschweige denn strategisch zu planen.

PR Stunt: Ist das der Grund, warum du zu diesem Thema ein Buch schreiben wolltest?

Viktoria: Als ich anfing in diesem Bereich zu arbeiten, habe ich kaum Informationen zu den Themen gefunden, die mich tagtäglich beschäftigten. Vor mir gab es niemanden im Unternehmen, der einzig für das Marketing verantwortlich zeichnete. In vielen mittelständischen Unternehmen wird das Marketing nebenbei abgefertigt.

Mit dem Buch möchte ich mein Wissen weitergeben. Zum einen an die Leute, die sich mit Marketing auskennen, aber neu in der Maschinenbaubranche sind. Und zum anderen an Technik-Experten, die sich zwar mit Maschinen auskennen, aber noch Unterstützung im Marketing brauchen.

Tipps und Handlungsempfehlungen zum Industriegütermarketing

PR Stunt: Kurzum, es gibt dringenden Handlungsbedarf! Welche Tipps möchtest du Gleichgesinnten und interessierten Entscheidern abschließend mit auf den Weg geben?

Viktoria: Wenn ich mich final entscheiden muss, habe ich drei grundlegende Anliegen.

  1. Generell gegenüber dem traditionellen und modernen Marketing offen sein und es nicht aus Angst vor hohen Kosten ablehnen.
  2. Als erstes Marketing-Maßnahmen ergreifen, die die Beziehung zu den Stammkunden festigen und kurzfristige Erfolge versprechen.
  3. Im Zweifel sich jemanden für das professionelle Marketing von außen ins Haus holen. Es gibt viele Marketing-Freelancer aus ganz unterschiedlichen Branchen, die dafür in Frage kommen.

PR Stunt: Herzlichen Dank für das Interview!

Die Kampagne

Gemeinsam mit der Agentur ‚Zum goldenen Hirschen‘ hat das baden-württembergische Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Informationskampagne „Alles beim Neuen“ ins Leben gerufen. Mit den Maßnahmen und der Kommunikation sollen die Vorteile des digitalen Wandels aufgezeigt werden. Passend zum hiesigen Beitrag ein exemplarisches Video zur Kampagne:

Kurzes Fazit: Kombination aus traditionellen Maßnahmen und modernen Marketingformen

Es gibt solche und solche Themen. Industriegütermarketing gehört eher zu solchen (sic!). So oder so sind es Themen, die durch Inhalte und deren Geschichten tragen. Die auf ein spezifisches Publikum treffen. Wenn die Hausaufgaben hinter sich gebracht wurden. Entwickeln sich Inhalte vielleicht zu einer relevanten Antwort auf die eingangs gestellten Fragestellungen und ergänzenden Faktoren.

Aus meiner Sicht sind komplexe Fachbegriffe, fokussierte Zielgruppen und traditionelle Werte. Keinerlei Gründe, sondern Ausreden für fehlende Kommunikationsziele und halbherziges Content-Marketing. Im Marketing bedarf es jedenfalls keinen besonderen Terminus für digitale Kommunikation im Maschinenbau.

Deshalb sollten mittelständische Unternehmen ihre Skepsis gegenüber modernen Marketingformen ablegen und die traditionellen Maßnahmen erweitern. Digital und analog. Dann lohnt sich Marketing für den Mittelstand. Schließlich zieht die Digitalisierung nicht unbemerkt vorüber. Ob allein das vorgestellte Buch bei der Bewältigung der Aufgaben hilft, wage ich zu bezweifeln.

Entgegen jedweder Umgangsformen im Industriegütermarketing, duze ich in hiesiger Abschlussrunde: Welche Besonderheiten hält deine Branche für das Marketing parat? Wie gehst du mit ihnen um und wer hilft dir bei deren Bewältigung? Was hindert dich daran, deine Ideen in die Tat umzusetzen?

Autor: Stefan Schütz
Foto: wir_sind_klein / pixabay.com

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2 Kommentare zu „Digitale Kommunikation im Industriegütermarketing“

  1. Sehr guter Artikel. Kann ich aus eigener Erfahrung nachvollziehen. War als Dipl.-Ing. Maschinenbau selbst rund 20 Jahre im internationalen Vertrieb und Marketing.

    Das sind oft erstklassige Unternehmen mit top Produkten. Ehrlich gesagt bin ich sicher, dass die das mit der Digitalisierung auch hinbekommen. Dauert vielleicht einen Tick länger, aber sie kriegen es hin.

    Allerdings habe ich auch festgestellt, dass selbst Geschäftsführer manchmal wenig Sympathie für das Marketing haben. Sie glauben ihre Produkte verkaufen sich von selbst, weil sie ja so gut sind.

    Hier ist allerdings schnelles Umdenken erforderlich.

    1. Vielen Dank, sowohl für das Lob als auch die interessanten Einblicke in die Praxis.

      Ich stimme in allen genannten Punkten zu – sie decken sich größtenteils mit meinen Erfahrungen. Für die Autorin möchte ich stellvertretend nochmals eine Lanze brechen. Sie hat in dem Unternehmen zunächst das Marketing verantwortet und ist mittlerweile in die Geschäftsführung aufgestiegen. Das schärft den Blick.

      Und unter uns: Nichts verkauft sich (mehr) von selbst! Bei dem Überangebot an Content beispielsweise, müssen die richtigen strategischen Entscheidungen getroffen werden.

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