Krisenkommunikation ist wie eine Achterbahnfahrt

Ein Gastbeitrag von Kai Thrun, Digital All-Rounder

Beim Thema Krisenkommunikation denken viele Betroffene oder Außenstehende direkt an Risiko, Bedrängnis und Gesichtsverlust. Doch tun sich mit jeder Krise immer auch Chancen auf. Diese Chancen kann ein Unternehmen allerdings nur nutzen, wenn es zeitgemäße Kommunikation verstanden hat. Darum soll es im Folgenden gehen.

Das Zeitalter der Fakten ist vorbei

Neben funktionierenden internen Prozessen geht es bei der Krisenkommunikation zunächst um eine schnelle Reaktion, die nach Außen gerichtet wird. Es liegt selbstverständlich in jeder Verantwortung, mit einer Stellungnahme noch zu warten. Wer jedoch selbst im Netz aktiv ist wird wissen, dass beispielsweise Journalisten darauf heute nicht mehr warten.

In der Zeit bis zur ersten Erklärung des Unternehmens, also im Zeitraum ohne Aussage, wird über das Geschehene spekuliert und gemutmaßt. Das Zeitalter der Fakten ist vorbei. Gerüchte entstehen und sie sind das Letzte, was du in einer Krisensituation gebrauchen kannst. Zumal der heutige Nachrichten-Konsument nur noch die erste Überschrift aufschnappt – alles was danach kommt, wird es schwer haben, dauerhaft in die Köpfe der Leute zu gelangen.

Ein einfaches, aber aktuelles Beispiel zur EURO 2016: Du hast vielleicht mitbekommen, dass Christiano Ronaldo nach dem Spiel gegen Island das Trikot nicht tauschen wollte. Das Thema wurde von den Medien hochgeschaukelt und mit Vermutungen durch den Boulevard aufgebauscht. Dass Aron Gunnarsson diese Lüge richtigstellte, hat nur noch einen Bruchteil erreicht. In Wahrheit sagte Ronaldo, dass er das Trikot gern erst in den Katakomben wechseln möchte.

Das Tempo als elementare Basis

Geschwindigkeit ist ein elementarer Baustein. Es reicht häufig aus, dass man behauptet, sich in 45 Minuten (oder einem anderen angemessenen Zeitraum) zum Thema zu äußern. So einfach kannst du dir ein Zeitfenster erschaffen, um im Hintergrund alle notwendigen Register zu ziehen und Prozesse zu starten.

Es sollte hier bereits ein Plan in der Schublade liegen, wie in solchen Krisensituationen zu verfahren ist. Der kleinste gemeinsame Nenner könnte eine Telefonkette sein, damit sich nicht alle wild gegenseitig anrufen. Für hitzige Angelegenheiten ist jede unnötige Irritation im Vorfeld abzustellen. Wer ist der richtige Ansprechpartner für die Medien? Um welches Thema geht es, wo liegen die entsprechenden Informationen ab?

Bitte bedenke: Wenn du dich online irgendwo äußerst, kann dies genauso in den Medien aufgenommen werden. Ohnehin sind die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben in den Social Networks mittlerweile verschwommen. Im Rahmen der Krisenkommunikation umso mehr.

Ich guckte jedenfalls nicht schlecht, als ich meine Facebook-Kommentare in überregionalen Zeitungen wiederfand, als 2014 an beiden Ostertagen in einem Freizeitpark (bei dem ich arbeite) der Strom dreimal über Stunden ausfiel. Wir haben 30 Minuten bis zum Facebook-Beitrag gebraucht, der uns vermutlich medial den Hintern gerettet hat. Die Zeitungen zitierten jedoch Antworten auf Kommentare der anwesenden Gäste. Dies war kein Beinbruch, aber du musst im Hinterkopf haben, dass jedes geschriebene Wort irgendwo publiziert und zitiert werden könnte. 

Das Momentum der Veränderung

Hat sich die Krisenkommunikation verändert? Meine Antwort ist: selbstverständlich! Wir befinden uns in einer kulturellen Weiterentwicklung. Jedes Unternehmen, das sich noch in der Romantik alter Tage suhlt, findet sich bei einer Krise binnen Minuten oder Stunden in einem Meme wieder.

Die Steigerung dieses Missverständnis der heutigen Zeit, ist wohl der Streisand-Effekt. Wer altmodische Methoden anwendet und denkt, dass man Dinge aus einer Machtposition heraus selbst regeln kann, wird sich gewaltig umschauen müssen.

Der Turbo des Informationskonsums stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Diese Geschwindigkeit bringt jedoch auch Vorteile. Es ging nie schneller, aus dem Rampenlicht auch wieder zu verschwinden. Die Halbwertszeit von Nachrichten ist so kurz geworden, dass mit einem soliden Abfedern der ersten Wehen, das öffentliche Interesse schnell schwindet.

Daher ist es umso wichtiger, die heutigen Medien in ihrem Kern zu verstehen. Die Sprache der dort befindlichen Menschen zu sprechen, um sich für den Fall der Fälle bereits eine loyale Pufferzone aufgebaut zu haben. Eine Krisensituation kommunikativ vom Unternehmen abzuwenden ist nun mal einfacher, wenn es außerhalb des Unternehmens Befürworter gibt. Das war schon immer so. Daher kannst du ein gutes Social Media Management als präventives Mittel für die Krisenkommunikation betrachten.

Das Gesagte in zwei Sätzen

Fassen wir nochmals zusammen. Geschwindigkeit ist ein wichtiger Faktor in der Krisenkommunikation geworden. Ich kann selbst in der Krise noch Punkte sammeln, wenn ich die Sprache der jeweiligen Plattform treffe.

Eine PR-Meldung muss nicht aalglatt sein, denn es gibt genug PR-Leute, die die Meldung in den Social Networks dann ohnehin entschlüsseln. Du musst in der Krise nicht noch weitere Brandherde eröffnen.

Eine gute Vorbereitung auf den Fall der Fälle ist, überraschender Weise, auch in der heutigen Zeit noch notwendig. Es haben sich allerdings Parameter wie Sprachgefühl und Geschwindigkeitskontrolle maßgeblich verändert.

Der digitale Generalist Kai Thrun besetzt aktuelle Themen und Trends der Online-Welt. Seit 1998 publiziert er Inhalte im Internet. Heute ist er unter anderem als Manager Digitale Kommunikation für einen bekannten Themenpark tätig. Der gebürtige Niedersachse probiert Dinge gerne direkt aus, noch bevor es die ersten Erfahrungswerte Dritter gibt. Er gehört somit zu den Pragmatikern unter den Innovators und Early Adaptors, wenn es um digitale Kommunikation geht. Sein Wissensvorsprung hat Kai Thrun zu einem gefragten Ansprechpartner für digitale Kommunikationsthemen in den Bereichen Marketing, Tech, Reisen, Blogging und Fotografie gemacht. Du findest ihn und seine fundierte Meinung – neben dem zuvor verlinkten Blog kaithrun.de – in jedem bedeutsamen Netzwerk.

Foto: RS / pixelio.de

2 Kommentare zu „Krisenkommunikation ist wie eine Achterbahnfahrt“

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