Social Media funktionieren nur beim Pöbel

Wie die Kölner Verkehrs-Betriebe mit Krisen-PR unschöne Situationen meistern

Was fragst du so blöd? Wo kommst du überhaupt her? Wie bist du denn drauf? Wer hat an der Uhr gedreht? Lange Wartezeiten, krumme Beine, kurzer Sinn – manch ein Kommentar der Community in den verschiedenen Netzwerken und Foren lässt doch arg zu wünschen übrig. Schlichtweg: ordinär, rudimentär, unsaubär [sic!] – in der Formulierung, in der Betonung, in der Strukturierung und in der Sache! Pöbeln um des Pöbeln willens.

Gibt es eine Lösung, den kritischen Untertönen, dilettantischen Argumenten und sinnfreien Anfeindungen mit Respekt zu begegnen? Muss man das überhaupt oder sollte man Gleiches mit Gleichem vergelten? Vielleicht kann man das Ganze auch einfach nur aussitzen?

The up and Takeways
Mit diesem Artikel

  • möchte ich die #SoMe-Reihe als Beispiel für ein proaktives Networking ans Herz legen.
  • wird mit der Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) ein Case beim Umgang mit Shitstorms beschrieben.
  • fasse ich wichtige Punkte zur positiven Außendarstellung in den Social Media zusammen.
Herausforderungen im Nörgelsektor

Nachdem der 6. #SoMeK ganz im Zeichen der Soccer Media stand, war bei der Fortsetzung der Networking-Reihe ein weiteres kölsches Schwergewicht zugegen: die Kölner Verkehrs-Betriebe. Als hervorragende Vortragende war diesmal Anke Eismann-Erpenbeck am Start, ihres Zeichens Referentin strategisches Marketing bei der KVB. Rund 25 Gäste fanden sich erneut in der Basis der Wikipedia Community aus Köln und Umgebung, im Lokal K, ein.

Tipp

Interessierte sollten einfach mal die Suchmaschine des Vertrauens anschmeißen und das passende für sich finden. Die Social Media Stammtische #SoMe werden in verschiedenen Städten und Regionen angeboten. Tendenz steigend.

Lokale Verkehrsbetriebe stehen wohl in fast jeder Stadt häufiger am Pranger als andere Unternehmen. Viele Fahrgäste beklagen sich über Verspätungen, zu volle Züge, technische Störungen, Zugaus- oder Zugunfälle und diverse Nickligkeiten. Großes Leiden. Wie gelingt es vor diesem Hintergrund, mit der schwer zu kontrollierenden Dynamik von Kundenlaunen in den Social Media zurecht zu kommen? Wie stellt man sich den Herausforderungen der Social Media bei einem örtlichen Verkehrsbetreiber wie die KVB? Wie kann man verständnisvoll auf Kundenbeschwerden reagieren und trotzdem eine klare Linie fahren? Wie arbeitet man in einem von nörgelnden Kunden dominierten Umfeld am positiven Image?

Herangehensweise im Nörgelsektor

Infografik KVB-Historie Social Media (Stivologne / PR-Stunt.de)

Lange bevor die Kölner Verkehrs-Betriebe wirklich aktiv in den Social Media tätig wurde, hat sich eine Truppe von engagierten Personen unterschiedlichster Disziplinen der Kommunikationsabteilungen zusammen getan, um das Thema Social Media intern voranzutreiben. Unerschrocken, interessiert und voller Tatendrang wurden zunächst eher „handmade“ der Wettbewerb, Zustand und Bedarf durchleuchtet. Konnte man doch zum damaligen Zeitpunkt bereits erahnen, dass eine Umsetzung bei einer Art Behörde wohl auf sich warten lassen würde. Immerhin wäre man gegebenenfalls nicht gänzlich unvorbereitet – wenn sich dieses Neuland irgendwann etabliert.

Ein Umdenken und Einlenken wurde letztendlich jedoch durch eine Kommunikationskrise ausgelöst. Warum muss immer erst etwas passieren? Die Kunden nehmen keine Rücksicht auf eine Online-Präsenz von Unternehmen. Deshalb gebietet sich eine proaktive Teilnahme. Heute mehr denn je. Der Ton wurde jedenfalls schlagartig rauer, Wind kam auf. In den Social Networks überschlugen sich plötzlich die Diskussionen über martialische Werbung auf Straßenbahnen zur gamescom sowie etwaige Gestapo-Methoden bei sogenannten Schwerpunktkontrollen. Das Kölner Unternehmen konnte mangels eigener Social Media-Kanäle kaum oder nur im Schneckentempo reagieren.

Positiv denken, denn die vermeintlichen Shitstorms hatten einen Sinneswandel auf Management-Ebene zur Folge. Negative Stimmungen waren in dieser Größenordnung bis dato unbekannt und nicht hinnehmbar. Anfängliche Zweifel gegenüber Facebook, YouTube und Twitter wichen. Endlich gab die Führungsebene der KVB grünes Licht für die unternehmerischen Social Media-Aktivitäten. Jetzt ging alles schneller. Dank vorliegender Konzepte der eingangs erwähnten Visionäre und Rückendeckung der Geschäftsführung, konnten kurzerhand die Fachbereiche, der Betriebsrat und die Belegschaft von der Wichtigkeit ebenfalls überzeugt werden. Fahrersprechstunden wurden eingeführt, die Teams geschult und Guidelines schriftlich fixiert. Eine ganzheitliche und einheitliche Kommunikationsstrategie entstand.

Begonnen wurde mit einem Twitter-Account als Informationskanal. Etwa ein dreiviertel Jahr später folgte ein offizieller Facebook-Auftritt, insbesondere als Dialog-Plattform. Vor rund einem Jahr kam ein YouTube-Channel hinzu, der bis heute in erster Linie als Unterhaltungspodium genutzt wird.

Humorvolles im Nörgelsektor

Häufig werden PR-Berater mit der Frage konfrontiert (so oder so ähnlich), wie denn ein kleines oder weitestgehend unbekanntes Unternehmen mit langweiligen Produkten oder austauschbaren Dienstleistungen überhaupt für Resonanz sorgen kann. Meine ganz persönliche Antwort darauf ist: Öffentlichkeitsarbeit beginnt im Kopf!

Niemand wird ernsthaft erwarten können, dass über Nacht ein Imagewandel zu vollziehen ist. Allerdings ist eine positive Grundhaltung beim kommunikativen Gesamtauftritt in den klassischen und moderneren Medien immens wichtig. Klar, im vorliegenden Case kann nicht von einer bedeutungslosen No-Name-Firmierung die Rede sein und Alternativen gibt es bei einem Monopol bekanntlich auch nicht. Aber etwas verändern zu wollen, Mut zu beweisen und Geduld aufzubringen – das sind die entscheidenden Faktoren, die hier erfolgreich beherzigt wurden und für alle gelten.

Mittlerweile agiert das vierköpfige Social Media-Kernteam der KVB äußerst selbstsicher. Vorteilhafterweise kann beispielsweise völlig frei (d.h. ohne langwierige Abstimmungsprozesse) auf Kundenstimmen geantwortet werden, was Reaktionszeiten von durchschnittlich 10 bis 15 Minuten nach sich ziehen. Das ist top und kommt natürlich sehr gut an. Wobei es Kernzeiten gibt, die durch eine Bereitschaft verlängert werden. In Ausnahmefälle respektive zu besonders sensiblen Themen, wird Rücksprache mit der Unternehmenskommunikation gehalten. Ferner gibt es eine wöchentliche Content-Runde, in der auch die Werbeabteilung eingebunden ist. Dieser rege Austausch untereinander ist dringend notwendig, kann als vorausgesetzt erachtet werden und dient somit als Basis für das Gesamtkonzept der strategischen Online-Kommunikation.

Mehr als zwei Drittel der Postings enthalten Kundenbeschwerden beziehungsweise negative Kommentare. Sollten letztgenannte auf unterhalb der Gürtellinie abzielen, werden diese der Netiquette entsprechend gelöscht. Ansonsten schallt es heraus, wie es in den Wald hineingerufen wird. Dabei entstehen durchaus kontroverse und unterhaltsame Wort-Gefechte. Zu Tonalität und Schreibstil sei exemplarisch auf die beigefügte Präsentation verwiesen. Stets oberstes Credo: humorvoll, authentisch und auf Augenhöhe handeln.

Selbstredend wird auf einen Redaktionsplan zurückgegriffen. Im Rahmen einer „Kontext-Box“ werden Bewegtbild, Fotos, Fakten, Bilderrätsel und Verkehrsmeldungen nach A- und B-Themen im Vorfeld sortiert und adäquat aufbereitet. Übrigens alles in Eigenregie, gibt es doch unter anderem aus Budgetgründen keine Agenturunterstützung. So entstehen authentische Texte, professionelle Drehbücher und spannende Stories von und mit den Mitarbeitern – zu 100 Prozent „echt“.

Gute Fahrt!

p.s. Interessierte und Verhinderte, können sich hier die „Präsentation #SoMeK KVB“ kostenlos herunterladen und ansehen. Den juten Jutebeutel gab es als kleines Abschiedsgeschenk aber nur für uns Anwesende 😉


Autor: Stefan Schütz /
Foto: twinlili / pixelio.de

2 Kommentare zu „Social Media funktionieren nur beim Pöbel“

  1. Sehr interessanter Artikel! Lesens- und beachtenswert! Doch du solltest mal prüfen, ob nicht eine Pause von Social Media angezeigt ist. Denn wer „gelingen“ schon mit „k“ schreibt („gelinkt“ Absatz ab „Lokale Verkehrsbetriebe…“), der hat anscheinend nur noch eins im Kopf: Die Vernetzung im Internet.
    Mit einem Schmunzeln wünsche ich weiterhin gutes Gelingen
    Ulrike

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen