Ephemeral Marketing und Snackable Content

Es kommt eben doch auf die Länge an

Info-Smog, News-Overload, Content-Welle. Massenhaft Informationen prasseln täglich auf uns ein. Um damit fertig zu werden und diese zu selektieren, schaffen sich immer mehr User ihren ganz persönlichen Schutzwall. Nicht zuletzt die Diskussion zu Adblockern zeigt, dass es schwieriger geworden ist, zwischen guten und weniger guten Inhalten unterscheiden zu können zu müssen. Andere digitale Restriktionen werden durch Algorithmen der Suchmaschinen oder Social Networks vorgegeben. Klar ist: Das Nutzerverhalten hat sich grundlegend geändert. Es wird sich nur noch sehr wenig Zeit genommen, um Beiträge bis zum Ende zu konsumieren und diese womöglich noch zu kommentieren oder zu teilen. Kurz und knackig muss Content heute sein. Die Ansätze Ephemeral Marketing und Snackable Content gehen ähnlich und doch ganz unterschiedlich auf diesen Umstand ein.

Von Ephemeral Marketing und der Peergroup

Durch Newsfeeds, Tools und Klicks entstehen individuelle Filter. Es wird nur noch das durchgelassen beziehungsweise durchbricht die persönliche Schranke, was für den einzelnen vermeintlich höchst relevant oder auf irgendeine Weise nutzenstiftend ist.

Was einerseits also Emotionen weckt und unterhaltsam, bedeutsam oder faszinierend wirkt. Und andererseits die Unabhängigkeit der Digital Natives von den Werten und Erwartungen der vorherigen Generation verdeutlicht. Die sogenannte Peergroup (hier: Gruppe von Personen mit gleicher Gesinnung) hat insbesondere beim Verständnis für Mehrwert sowie beim Umgang mit digitalen Inhalten eigene Vorstellungen und Verhaltensweisen.

Marketing on ephemeral networks such as Snapchat, where content literally vanishes seconds after being received, is tricky. These new networks are primarily peer-to-peer communication platforms where consumers expect relevant and entertaining content – not ads.

Marketing auf Empheral Networks wie Snapchat, in denen Inhalte buchstäblich Sekunden nach Erhalt verschwinden, ist knifflig. Diese neuen Netzwerke sind in erster Linie Peer-to-Peer-Kommunikationsplattformen, wo die Konsumenten relevante und unterhaltsame Inhalte erwarten – keine Anzeigen. (Thomas Husson, Vice President von Forrester)

Instant-Messaging Marketing

Häufig wird Ephemeral Marketing in einem Atemzug mit dem Instant-Messaging-Dienst Snapchat genannt. Das liegt unter anderem am Hype. Der um diese Art der Kommunikation sowie den Dienst an sich entstanden ist – insbesondere bei der jüngeren Zielgruppe. Über 50 Prozent der Snapchat-Nutzer sind laut statista zwischen 16 und 24 Jahre alt. Bezieht man die 25 bis 34 Jahre alten Nutzer mit ein, wird im Rahmen der Altersgruppen-Verteilung sogar von knapp 85 Prozent gesprochen.

Unterscheidung von Content Shock und Content Clash

Wenn alle User und Unternehmen zu Content-Produzenten werden, steigt die Menge an verfügbaren Inhalten im Internet an. Selbst eine qualitative Steigerung führt zwangsläufig zu einem Überangebot an Content – und zu mehr Wettbewerb. Um sich von der Masse abheben zu können, müssen entsprechend mehr Ressourcen eingesetzt werden: Arbeitszeit, Grips oder Budget. Dadurch wird Marketing komplizierter, anspruchsvoller, teurer und ineffizienter. Diese Entwicklung gipfelt in einem fiktiven Punkt, an dem die in Aufmerksamkeit investierten Ausgaben für die Erstellung und Verbreitung von Inhalten den daraus entstehenden Ertrag beziehungsweise Mehrwert übersteigen – dem Content Shock.

Während also immer mehr Menschen, Marken und Medien am Aufbau eigener Content-Formate arbeiten. Braut sich ein neues Phänomen zusammen: Die exponentiell zunehmende Quantität der Inhalte trifft auf ein limitiertes Zeitbudget bei den anvisierten Zielgruppen. Das Angebot eilt der Nachfrage davonContent Clash. Interaktionsraten, Reichweiten und ja, sogar die Lust und Launen der Konsumenten sinken. Warum sollte der Kunde sein wertvollstes Gut, die Zeit, für Inhalte Dritter hergeben? Ausnahmen bilden die wenigen Love Brands.

Nutzerverhalten der Peergroup

Allerdings habe ich bewusst eine etwas allgemeinere Peergroup vorausgesetzt. Und somit versucht, die generellen Verhaltensänderungen einer größeren Internet-User-Schar darzustellen. Schließlich ziehen die anderen Netzwerke und Apps natürlich umgehend nach oder zeigen eigene Ideen auf. Außerdem bin ich alt und will zumindest als Interessierter dazugehören dürfen.

Der Mikroblogging-Dienst Twitter denkt zum Beispiel laut über einen eigenen Messenger nach. Bricht zudem mit bis zu 420-Zeichen langen Bildunterschriften das ureigene USP auf und überwirft sich damit direkt mit der Community. Instagram-Nutzer können, statt bisher nur 15 Sekunden, demnächst Videos mit einer Länge von bis zu einer Minute posten. Ferner soll als Alternative zu Snapchat die Möglichkeit geboten werden, Videos aus mehreren Clips zusammenzustellen.

Natürlich werden auch die Werbetreibenden beglückt. Facebook beispielsweise verschafft den Instant-Articles jetzt auch Video-Ads. Zudem wird der Live-Stream nach und nach ausgeweitet. Für den B2B-Bereich vielleicht noch ein Beispiel: LinkedIn hat schon vor längerer Zeit die Blog-Funktion Pulse implementiert und sein Messaging-Feature deutlich verbessert.

Von der Potenzierung des Echtzeit-Momentums

Sämtliche zuvor erwähnten Bestrebungen haben nur bedingt etwas mit Ephemeral Marketing zu tun. Zahlen jedoch voll auf das Nutzerverhalten ein. Für ein besseres Verständnis und um den Bogen zu Snackable Content zu schlagen, möchte ich an dieser Stelle weiteren notwendigen Kontext erbringen.

Problem dabei: Es gibt scheinbar im deutschsprachigen Raum keine klare Definition von Ephemeral Marketing. Weder Wikipedia noch Gabler können mir hier helfen. Selbst der ansonsten wunderbare Beitrag vom geschätzten Falk Hedemann im Upload Magazin mit dem Titel „Ephemeral Marketing: Der Hype auf dem Prüfstand“ lässt dahingehend leider einige Fragen offen.

Definition von Ephemeral Marketing

Darum bediene ich mich einigen Auszügen der älteren Zusammenfassung „Ephemeral Media – der Booster für’s Content Marketing!“ von Kongress Media, basierend auf verschiedenen Ausführungen diverser Autoren und Blogzines zu diesem Thema:

Ephemeral Marketing bezeichnet demnach die Kommunikation über Messaging-Dienste wie Snapchat, Yo oder WeChat. Diese Dienste zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass sie die publizierten Inhalte nur für einen bestimmten Zeitraum zugänglich machen und so eine künstliche Verknappung des Konsums hervorrufen. Dadurch wird unter anderem versucht, eine „Art des Vergessens“ im Internet zu implementieren und Sicherheitsaspekte zu suggerieren – wenngleich das nur schlecht möglich ist, denn digitale Inhalte können natürlich im Empfangsmoment schier unendlich auf anderen Kanälen oder Medien gespeichert und/oder distribuiert werden.

Während jedoch über Google indizierte Inhalte auf Webseiten, Blogs, in Foren oder öffentlichen Facebook-Fanpages ewig auffindbar und somit zu jedem beliebigen Zeitpunkt konsumierbar sind. Werden Ephemeral Media-Inhalte nur in einem bestimmten Moment für deren Konsum und Verbreitung zur Verfügung gestellt. Das erhöht den Druck auf die Beteiligten. Den des Empfängers, diesen Moment auch ja nicht zu verpassen, wenn es ihn wirklich interessiert (hätte). Und den des Senders, die Hebelwirkung der Echtzeit-Kommunikation genau abzupassen, zu inszenieren und optimal zu nutzen sowie ausschließlich geilen Content zu verbreiten.

Es ist also das Echtzeit-Momentum, was Ephemeral Media für die Marketing-Kommunikation spannend macht. Mit im wahrsten Wortsinn vergänglichen, kurzlebigen, flüchtigen Inhalten zu punkten, obwohl die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne der User gleichzeitig immer weiter sinkt und laut einer Studie von Microsoft heute mit etwa 8 Sekunden ein Niveau unterhalb der eines Goldfisches erreicht hat.

Von Content-Snacks und deren Vergänglichkeit

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Dennoch isst das Auge stets mit und der (nennen wir ihn) „Snapchat-Effekt“ ist kaum wegzureden. Grundlegende Erfolgsfaktoren für Blogposts, Bewegtbildinhalte und virale Effekte werden allenthalben propagiert und versucht nachzuahmen. Eine Garantie gibt es hingegen nicht. Zu unterschiedlich sind die Ausprägungen von Mehrwert. Was bedeutet zum Beispiel letztgenannter für dich? OK, und für deinen Sitznachbarn?

Snackable Content ist auch nur Fastfood

Das ganze Leben ist ein Quiz und das Internet ein Zoo. Nicht bloß aufgrund der Tatsache, dass Cat-Content einfach immer funktioniert und wir alle weniger als jeder Goldfisch an Aufmerksamkeit spenden können. Die zuvor von mir gewählte Infografik geht exemplarisch nochmals in Farbe und Bunt auf möglichst optimale Längen von Content hinsichtlich unterschiedlicher Herangehensweisen und digitaler Plattformen ein. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: kurz und knackig soll Content heutzutage sein.

„Snackable“ sind Inhalte, die sich schnell, einfach und flexibel konsumieren sowie teilen lassen. Das können die Ephemeral Networks sehr lecker gewährleisten. Die im übertragenen Sinne weiteren Zutaten wie Geschmack (Relevanz), Optik (Visualisierung), Menge (Zeichenanzahl, Dateigröße), Bekömmlichkeit (Einprägsamkeit) und Zubereitungszeit (Vorkenntnisse, Mobilität) sind dagegen nicht von ihrer Vergänglichkeit geprägt oder abhängig. Ganz im Gegenteil: Das Erfolgsrezept kann und wird in aller Regel um persönliche Befindlichkeiten ergänzt und das Content-Gericht individuell zubereitet – bestenfalls gut gewürzt und für ein längerfristiges Völlegefühl.

Durch die chronologische Hierarchie tauchen in vielen Social Networks die Inhalte bei den meisten Nutzern ohnehin nur einmal in ihrer jeweiligen Timeline auf. Kurz, für einen Moment, kommen die User in den Genuss der Inhalte, sofern sie die jeweilige Internet-Plattform überhaupt aktiv nutzen – wie derzeit bei Snapchat zu beobachten ist. Der eigentliche Inhalt aber veraltet rapide und erreicht durch die Summe immer neuer Bilder, Videos und Statusmeldungen sowie der zeitlichen Einschränkung sehr schnell das Verfallsdatum.

Von den Widersprüchen der Marketingziele

Die klassischen Marketingziele teilen sich auf in quantitative und qualitative Werte. Die quantitativen Ziele wie Absatz, Umsatz, Marktanteile und Leads sind dabei eher greifbar und messbar und werden von den qualitativen Zielsetzungen unterstützt. Zu den letztgenannten gehören die Markenbekanntheit, Meinungsführerschaft, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und das Markenimage.

All diese Zielsetzungen sind stets mittel- bis langfristig angelegt, was sich in der hoffentlich vorhandenen Marketingstrategie wiederfinden sollte. Es geht darum, tiefgründig Werte aufzubauen und Kunden überdauernd an eine Marke zu binden. Meiner Meinung nach, ist diese Nachhaltigkeit mit Ephemeral Marketing nicht gegeben.

Kein Hexenwerk und keine Cases

Solange kein überzeugendes Gegenbeispiel geliefert wird, bleibe ich dabei! Bislang sind es doch die großen Marken, die die Plattformen wie Snapchat für sich beanspruchen und sinnvoll nutzen sowie für ihr Marketing zielgerichtet einsetzen. Ephemeral Marketing stellt kein Hexenwerk dar und ist gewiss keine grundlegende Neuerung für die Kommunikationsbranche. Vermutlich hilft noch schadet der Begriff Ephemeral Marketing – Skepsis darf angebracht bleiben.

Wer sich aus welchen Gründen auch immer für Ephemeral Marketing entscheidet, sollte einige Punkte stets beherzigen: Es geht um Authentizität, wahre Inhalte, eine mutige Portion an Entertainment und Informationsgehalt sowie den digitalen Austausch mit der Zielgruppe. Und eben nicht um banale Anzeigen, Klickbait-Grafiken oder Werbespots. Denn damit lockt man niemanden mehr hinter dem Ofen vor. Gerade im Ephemeral Marketing haben rein werblich ausgerichtete Inhalte überhaupt gar nichts zu suchen.

Für das Marketing im Allgemeinen ist das ein gravierendes Problem, stehen solche flüchtigen Auseinandersetzungen mit Inhalten doch im krassen Widerspruch zu ihren auf Nachhaltigkeit ausgelegten Kommunikationsstrategien. Alles, was im Bereich des Content-Marketings bislang unternommen wurde, sollte die langfristige Sichtbarkeit der Marke unterstützen. Wie kann das funktionieren, wenn die Botschaften nur für wenige Sekunden sichtbar sind?

Schlussendlich bedeutet das wie eigentlich immer: es bedarf einer ganzheitlichen Content-Strategie, einem redaktionellen Konzept und die Dialogfähigkeit beim Umgang mit digital-affinen Kunden. So ist es einerseits kompliziert mit dem Ephemeral Marketing und andererseits so einfach.

Vielleicht sind 24 Stunden Haltbarkeit nicht ausreichend – intim und persönlich sollte, unabhängig des zeitlichen Verlaufs, die Botschaft allemal kolportiert werden können. Ephemeral Marketing mag demnach temporär befristet sein. Im Umkehrschluss ist es dennoch von Dauer.

Wie lassen sich Flüchtigkeit und Nachhaltigkeit in Einklang bringen? Kennt ihr eine stichfeste Strategie, die Content- und Ephemeral-Marketing verbindet?

Autor: Stefan Schütz /
Foto: Cornerstone / pixelio.de

6 Kommentare zu „Ephemeral Marketing und Snackable Content“

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